Unsere Lerngruppe

Unsere Lerngruppe

1. Wie habt ihr euch gefunden?

Über Freundschaften, die sich schon vor der Zeit der Examensvorbereitung (die in unserem Fall in die Corona-Zeit und somit ins Homeoffice fiel) an der Uni gebildet hatten. Man kannte sich und hat dann einfach mal ausprobiert, ob das gemeinsame Lernen etwas sein könnte. So kamen dann auch immer mehr Leute hinzu, am Anfang waren wir zu zweit, dann sind wir nach und nach auf vier Teilnehmer angewachsen. Um sich zu finden, muss man den ersten Schritt wagen und den anderen einfach mal fragen. 

 

2. Welche Anzahl an Teilnehmern ist empfehlenswert?

In der Zeit zu zweit hatten wir sehr direkte Gespräche, man kann Fragen sofort stellen und dann auch eine Antwort erarbeiten. Eine dritte Person bringt aber deutlich mehr Ideen mit ein, einfach weil eine weitere Sicht der Dinge mit hinzutritt. Außerdem hat jeder seine eigenen Stärken und Schwächen, und die kumulieren besonders gut, wenn man nicht nur zu zweit ist.

Die Anzahl von vier Personen bringt vor allem für die Vorbereitung auf die mündliche Prüfung deutliche Vorteile, weil man einen Prüfling auswählen kann und die verbleibenden drei Personen dann jeweils ein Rechtsgebiet für die Prüfungssimulation übernehmen können, so wie man ja auch in der realen Prüfung drei Prüfern gegenüber sitzt. Ich denke, viel mehr sollten es aber nicht werden, zum einen wird es dann schnell unübersichtlich und auch etwas unpersönlich, zum anderen wird es auch rein praktisch immer schwieriger, alle gemeinsam in einem Termin zusammenzubekommen.

 

3. Mit wem sollte man eine Lerngruppe bilden?

Freunde oder Fremde? Wir waren alle Freunde. Man liest zwar teilweise, dass man eher Fremde als Partner einer Lerngruppe auswählen sollte, damit man wirklich nur lernt, aber zum einen ist es ja nicht ausgeschlossen, dass sich durch die Lerngruppe Freundschaften bilden (bei uns so geschehen, eine Person kannte ich vorher nicht, jetzt sind wir aber befreundet, ein sehr schöner Nebeneffekt!) zum anderen kann man auch mit Freunden durchaus lernen. Ja, es kamen auch mal private Themen zur Sprache, aber das war eigentlich nie mehr als eine Viertelstunde am Anfang, in der man sich über Privates ausgetauscht hat. Wir haben uns auch jede Woche getroffen, und mal ehrlich, so viel erlebt man in der Examensvorbereitung sowieso in der Regel nicht, sodass es auch meist nicht so viel zu berichten gibt.

Letztendlich muss man wohl selbst wissen, mit welchen Freunden und Bekannten eine Lerngruppe funktionieren kann und mit wem eher nicht. Angenehm war auf jeden Fall, dass man keinerlei Scheu haben musste, eine vielleicht „dumme“ Frage zu stellen, da man wusste, dass man nicht ausgelacht werden wird. Ich habe mich durch das Vertrauensverhältnis und die Wertschätzung zwischen uns deutlich freier gefühlt, um Lösungsansätze zu entwickeln und Ideen aufzubringen. Es war wirklich ein gemeinsames Lernen, nicht nur ein krampfhaftes Profilieren vor den anderen.

Auch will man meiner Meinung nach gerade vor seinen Freunden, die einem am Herzen liegen und etwas bedeuten, nicht unvorbereitet erscheinen, dass würde sich stark nach Schmarotzertum anfühlen, und wer will so vor seinen Freunden dastehen? Sinnvoll erscheint es mir, sich Leute zu suchen, die in einer ähnlichen Phase der Vorbereitung stehen, also zum Beispiel alle bereits das Repetitorium durchlaufen haben oder alle gerade mit dem Repetitorium anfangen. Zum einen kann man dann gemeinsam lernen und es gibt nicht einen Ausreißer nach oben oder unten, der entweder total überfordert ist und alles in Frage stellt oder sich schlicht langweilt, zum anderen steigert das auch die Chancen, dass man die gesamte Zeit bis zum Examen gemeinsam durchzieht. Das motiviert ungemein und es ist auch angenehmer, nicht in den letzten zwei Monaten vor dem Examen plötzlich ohne Lerngruppe dazustehen, weil die anderen schon lange fertig sind und keine Lust mehr haben.

 

4. Wie oft habt ihr euch getroffen?

Wir haben uns ein Mal in der Woche getroffen, das hat gut gepasst mit dem eigenen Wiederholen, Klausurenschreiben am Wochenende, Klausurbesprechungen und der Vor- und Nachbereitung der Lerngruppe selbst. Vor der mündlichen Prüfung haben wir teilweise aber auch weitere Termine in einer Woche gefunden.

 

5. Digital oder in Präsenz?

Wir haben in der Anfangszeit der Corona-Pandemie angefangen und daher nur die Chance des digitalen Kontakts gehabt. Wir haben das aber auch nie geändert. Das lag wohl vor allem auch daran, dass wir vier Teilnehmer in vier verschiedenen Städten waren und der digitale Kontakt die Pendelzeiten gespart hat. Wir haben immer einen Videoanruf genutzt, so fühlt es sich persönlicher an, als wenn man einander nicht sehen kann. Wir sind damit gut klargekommen. Sicher hat auch der direkte Kontakt Vorteile. Hier ist denke ich vor allem entscheidend, dass man einen ruhigen Ort zum Arbeiten findet, an dem man sich ungestört unterhalten kann und eine positive Lernatmosphäre schafft.

 

6. Fixer Termin oder flexible Zeiten?

Wir hatten einen fixen Tag in der Woche, an dem wir die Lerngruppe grundsätzlich abgehalten haben, haben aber bei außerplanmäßigen Terminen eines Teilnehmers auch versucht, uns anzupassen, sodass der Termin auf jeden Fall in voller Besetzung stattfinden konnte. Das hat nicht immer geklappt, aber meistens schon. Wenn einer wirklich nicht konnte und das im Vorhinein wusste, haben wir eher den gesamten Termin ausfallen lassen als nur zu dritt weiterzumachen.

Die grundsätzliche Festlegung auf einen Termin hat meiner Ansicht nach den Vorteil, dass man gut planen kann und sich nach Möglichkeit erst gar keine kollidierenden Termine auf diesen Tag legt. Zum anderen stellt sich aber auch ein gesunder Wochenrhythmus ein, wie: freitags und samstags schreibe ich Klausur, sonntags wiederhole ich Rechtsgebiet A, montags gehe ich zu Klausurbesprechungen und wiederhole Rechtsgebiet B, dienstags breite ich die Lerngruppe vor und mache mit Rechtsgebiet B weiter, mittwochs morgens findet die Lerngruppe statt, mittwochs nachmittags arbeite ich sie nach, donnerstags wiederhole ich Rechtsgebiet C etc. So muss man nicht für jede Woche wieder neu planen wann man was macht und wie man nichts zu kurz kommen lässt.

 

7. Welche Inhalte hat die Lerngruppe, wie ist sie ausgestaltet?

Wir sind nach einigem Hin- und Her am Anfang dazu gekommen, dass wir eine oder später zwei Klausuren aus dem Klausurenkurs der Uni ausgesucht haben, und diese hat jeder dann für sich allein zuhause gelöst, in der Regel in Form einer Lösungsskizze. Im Termin selbst haben wir dann einen auserkoren, der eine Klausur vorgetragen hat. Da hat sich eigentlich immer ein Freiwilliger gefunden, denn wir waren uns ja einig, dass auch ein Fehler nicht peinlich zu sein braucht, s.o. Die anderen haben die vorgetragene Lösung mit der eigenen verglichen und dann hat man erstmal besprochen, was man selbst vielleicht anders gemacht hat und warum. Hierbei kam es meist schon zu einem Erkenntnisgewinn auf mehreren Seiten.

Dann wurden auch mal abstrakt ein paar Rechtsfragen, die sich einfach ergeben haben, erörtert und dabei natürlich automatisch wiederholt. Hier war Platz für Diskussionen und das Kreieren von Lösungen. Schließlich haben wir uns gemeinsam die Lösung zu der Klausur angeschaut und besprochen, was dort eventuell anders gemacht wurde und warum. Wenn man Fragen zu der Lösung hatte (schließlich handelt es sich dabei auch immer nur um Lösungsvorschläge), konnten die auch gleich gestellt und erörtert werden. Das haben wir in der Regel nacheinander mit zwei Klausuren gemacht, wobei wir die Rechtsgebiete aber nicht gemischt haben, also zum Beispiel zwei zivilrechtliche oder zwei öffentlich-rechtliche Klausuren ausgewählt haben.

Einen weiteren guten Tipp habe ich leider erst etwas später von einem Tutor erfahren, nachdem die Zeit mit der Lerngruppe bereits beendet war: Er empfahl, bei der Besprechung der Fälle die Lösung mündlich komplett auszuformulieren. Das hat mir später im Rahmen des Verbesserungsversuchs einen enormen Vorteil verschafft, speziell im öffentlichen Recht, denn hier sind die Korrektoren sehr empfindlich, was präzise Sprache angeht! Ich denke aber, dass jeder mal die Erfahrung gemacht hat, dass man sich, was das fachliche Wissen angeht, eigentlich super sicher war, in der Klausur aber mit Schrecken festgestellt hat, dass man nicht so richtig weiß, wie man seine Gedanken nun sinnvoll logisch zu Papier bringen soll. Wenn ihr bereits am Anfang beginnt, die Formulierungen zu üben (was zu Beginn mit Sicherheit noch etwas holprig sein wird, ich hatte damit auch meine Probleme J) werdet ihr in der Klausur viel sicherer und spart Zeit – zudem freut sich der Korrektor über gelungene und sichere Formulierungen! Seid am besten ganz genau – nicht einfach unterstellen, dass der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist, sondern prüft das ganz ordentlich runter! Hat den schönen Nebeneffekt, dass sich auch die Probleme leichter erkennen lassen! Das ist ein wahrer Game Changer!

 

8. Zeitaufwand

Der Zeitaufwand war recht unterschiedlich, je nachdem, wie gut wir alle insgesamt mit den bearbeiteten Klausuren durchgekommen waren. Mindestens zwei Stunden haben wir immer zusammengesessen, aber teilweise konnten es auch mal vier oder fünf werden, wenn es viel Diskussionsbedarf gab. Es war also günstig, sich hinten raus etwas Zeit zu lassen und nicht direkt Anschlusstermine zu planen, denn nichts ist nerviger, als eine produktive Diskussion abbrechen zu müssen, weil ein Teilnehmer wegmuss.

In der Vor- und Nachbereitung ist es natürlich ähnlich, obwohl wir uns irgendwann darauf verständigt hatten, dass es wenig sinnvoll ist, sich viel mehr Zeit als eine Stunde für das Ausarbeiten einer Lösungsskizze zu nehmen, denn mehr Zeit hat man in der Klausur dafür dann auch eher nicht. Da waren wir alle allerdings auch schon etwas weiter fortgeschritten in der Vorbereitung, am Anfang hat es durchaus auch einmal länger gedauert, ein brauchbares Ergebnis zu Papier zu bringen. Die Nachbereitung kann man natürlich so zeitintensiv gestalten wie man will, es scheint aber durchaus sinnvoll, sich danach noch einmal eingehend allein mit dem Lösungsvorschlag zu beschäftigen und genau zu analysieren, wo man selbst noch einmal etwas nacharbeiten sollte, ob es inhaltliche oder vielleicht auch (gerade am Anfang) stilistische Schwachpunkte sind.

Das Wichtigste in der Examensvorbereitung ist es meiner Meinung nach zu erkennen, dass jeder Fehler, den man jetzt macht, ein Geschenk ist, da man dadurch erkennt, woran man noch arbeiten muss. Und das sollte man sich selbst dann auch ganz ehrlich eingestehen und es aufarbeiten.Ein Nebeneffekt der Lerngruppe liegt meiner Meinung nach übrigens auch darin, dass einem ein Fehler, den man als Lösung eines Problems vorgetragen hat und mit dem man ratlose Gesichter bei seinen Kollegen ausgelöst hat, nie wieder passieren wird. Daran erinnert man sich!

 

9. Ende der Lerngruppe und die Vorbereitung auf die mündliche Prüfung

Wann haben wir aufgehört? In unserer Lerngruppe haben alle Teilnehmer abgeschichtet und das zu unterschiedlichen Zeiten, daher waren wir nie alle auf dem gleichen Stand. Letztlich haben wir daher aus Fairnessgründen immer weiter gemacht, bis auch der letzte alle seine Prüfungen abgelegt hatte, da hatte der erste aber schon mit der Vorbereitung auf die Mündliche Prüfung begonnen, sodass wir dann einfach nahtlos weitergemacht haben. Für die Mündliche haben wir unser Konzept dann etwas umgestellt.

Wir haben einen Prüflingauserkoren, der vorher innerhalb einer Dreiviertelstunde einen Original-Vortragsfall vorbereitet hat; die anderen drei haben die Prüfer dargestellt und hatten jeder jeweils fünf Fragen, von denen wir uns vorstellen konnten, dass sie in einer Prüfung gestellt werden könnten, vorbereitet (natürlich inklusive einer Antwort). Wer welches Rechtsgebiet übernimmt, haben wir regelmäßig durchgewechselt und bereits in der Woche vorher festgelegt, damit man Zeit zum Nachdenken hatte und optimalerweise sogar aktuelle Nachrichten oder ähnliches einarbeiten konnte. Hier darf man sich auch gerne etwas Mühe geben und sich um historische Bezüge zum Datum oder ganz aktuelle Fälle in den Medien bemühen. (Beispiel: Was ist denn heute, am 23. Mai, für ein besonderer Tag? -> am 23. Mai 1949 wurde das GG verkündet). Dann hat man zuerst den Vortrag gehört, und dabei auch auf Formalia wie den freien Vortrag, die Nennung von Schlüsselwörtern, die Verwendung des Gutachtenstils und die Einhaltung der Zeitvorgaben geachtet.

Dann wurden die Fragen als „Prüfungsgespräch“ gestellt, die Auflösung kam dann zum Schluss sowie auch die Kritik an Inhalt und Stil des Vortrags. Dabei sollte man meiner Meinung nach auch recht streng sein, auf Füllwörter, häufig verwendete Phrasen, den Gutachtenstil, das verpönte „Krankenschwester-Wir“ („nun prüfen wir, ob die Tatbestandsmerkmale vorliegen“ etc.) und auch das Sprechtempo und die Verständlichkeit achten.Nur so kann man dazu beitragen, dass der andere sich verbessert. Endgültig beendet haben wir die Lerngruppe dann, nachdem der letzte von uns seine mündliche Prüfung abgelegt hatte. Zur Feier unserer langjährigen gemeinsamen Bemühungen haben wir im Anschluss gemeinsam einen Ausflug nach Brüssel gemacht.

10. Wann sollte man denn mit einer Lerngruppe anfangen?

Ich denke, sobald man ernsthaft anfängt, Klausuren zu schreiben, ergibt auch eine Lerngruppe, zumindest in der Form, wie sie hier beschrieben wird, Sinn. Das heißt nicht, dass man am Anfang bereits alles Lösen kann oder auch nur alle Bereiche eines Rechtsgebiets bereits wiederholt hat, denn gerade durch das gemeinsame Lernen lernt man viel und nachhaltig. Wenn man ungefähr auf einem Stand in der Vorbereitung ist hat das den Vorteil, dass man auch tatsächlich gemeinsam lernt und nicht einer gelangweilt die Denkprozesse der anderen vorwegnimmt und ihnen Ergebnisse vorsetzt, die er für sich bereits erarbeitet hat, oder einer den anderen permanent hinterherhängt und gar nicht richtig nachvollziehen kann, wovon die sprechen, weil er selbst noch nicht so weit ist.

Du kannst auch vor der Examensvorbereitung bereits im Grundstudium damit anfangen. Ein Austausch hat einen großen Mehrwert.

 

11. Druck

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, zusammenzuhalten und auch etwas Spaß miteinander zu haben.

Nichts ist erfüllender, als sich durch die gemeinsame Arbeit zu inspirieren und neue Denkanstöße zu schaffen. Die Lerngruppe soll eine Unterstützung sein, man soll sich trauen dürfen, Fragen zu stellen und auch mal neue Lösungen zu präsentieren, auch wenn man sich damit noch unsicher ist. Fühlt ihr euch unter Druck gesetzt oder in sonstiger Art und Weise nicht wohl, dann sucht nochmal weiter nach neuen netten Leuten, die besser zu euch und eurem Tempo passen. Meine Lerngruppe war ein absoluter safe space und ich habe mich immer schon auf die Treffen gefreut, weil wir uns gegenseitig bereichert haben. Habt ihr das Gefühl, nach der gemeinsamen Lerneinheit einen großen Mehrwert gewonnen zu haben, dann habt ihr die richtigen Menschen für euch gefunden.

 

12. Wie

Wir haben gemeinsam die Notion Vorlage „Lerngruppe Workspace“ ungefähr  zwei Jahre verwendet. Dabei war besonders hilfreich, Fragen die außerhalb der Lerngruppe entstehen dort festzuhalten und eine Antwort aus dem Team zu bekommen. Du kannst sie dir kostenlos herunterladen, um mit deiner Lerngruppe durchzustarten.

 

Geschrieben von Melina Hony, Ann-Katrin Glaser und Kübra Aygün

Vielen Dank an meine Lerngruppe für den aufschlussreichen Erfahrungsbericht und die Tipps für die angehenden Juristen! 

 

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